Branchenvertreter in Indien zur Fachkräftegewinnung
Neue Perspektiven für südwestfälische Delegierte aus dem Gesundheitswesen, Handwerk und Gastgewerbe
In Deutschland melden zahlreiche Branchen einen dringenden Bedarf an Arbeitskräften, weshalb die Fachkräftezuwanderung mit verschiedenen Staaten intensiviert wurde. Gleichzeitig steht der indische Arbeitsmarkt vor einer entgegengesetzten Herausforderung: Jährlich drängen rund fünf Millionen Menschen auf den Arbeitsmarkt, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 23 Prozent und nur jeder vierte Hochschulabsolvent findet einen Job. Der Begriff "Brain Drain" existiert in Indien nicht, im Gegenteil: Die Auswanderung junger Fachkräfte wird sogar gefördert. Mit jährlich rund 100 Milliarden US-Dollar an Rücküberweisungen stehen die im Ausland lebenden Inder weltweit an der Spitze dieser Statistik. Die Rücküberweisungen machen drei Prozent des indischen Bruttoinlandsprodukts aus. Die indische Regierung schätzt zudem den Erfahrungsgewinn der Rückkehrer und das globale Netzwerk der indischen Diaspora.Die Bundesregierung hat dieses Potenzial erkannt und am 5. Dezember 2022 ein deutsch-indisches Migrationsabkommen unterzeichnet. Die Umsetzung des Abkommens kommt bislang jedoch nur schleppend voran. Die große Herausforderung bleibt, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
"Der Caritasverband Olpe durfte bereits in diesem Jahr 12 Inderinnen und Inder im Kreis Olpe begrüßen. Die neuen Mitarbeitenden werden insbesondere für ihre sehr zugewandte Art, die hohe Motivation und für ihre liebevolle sowie fleißige Art und ihre Wissbegierde geschätzt. Die Delegationsreise hat dazu beigetragen weitere Kontakte zu knüpfen und tiefer in die indische Kultur einzusteigen." Julie Hausotte, Caritasverband für den Kreis Olpe e.V.
Orientierung vor Ort
Vor diesem Hintergrund reisten Vertreter des Caritasverbands Olpe e.V., der Kooperation "Die Sterne im Sauerland" sowie der gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe mbH (GFO) nach Indien, um gemeinsam mit Vertretern der Konrad-Adenauer-Stiftung Themen wie Fachkräftegewinnung, duale Berufsausbildung und Standortwerbung zu diskutieren.
Dr. Adrian Haack, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Indien, gab während des Aufenthaltes ein umfassendes Briefing, um die Delegation auf die bevorstehenden Aufgaben und Ziele vorzubereiten. In der Deutschen Botschaft wurden die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Fachkräftezuwanderung intensiv diskutiert. Darüber hinaus wurden verschiedene Bildungseinrichtungen besucht, wie die Don Bosco Berufsschulen der Salesianer in Delhi, Assam und Meghalaya, Krankenpflegeschulen, Hotelfachschulen und Universitäten. Dabei erhielt die Delegation einen Einblick in das private und schulische Ausbildungssystem in Indien. Neben dem Austausch mit Lehrkräften fanden jeweils auch Gespräche mit Schülerinnen und Schülern statt. Diese Gespräche gaben einen tiefen Einblick in die Bedürfnisse und Erwartungen der indischen Jugendlichen und Interaktionen ermöglichten einen wertvollen Austausch von Erfahrungen und Möglichkeiten.
"Internationale Pflegemitarbeiter leisten vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Patienten in Krankenhäusern und von Bewohnern in Pflegeheimen. Für uns in der GFO ist es deshalb wichtig, auch vor Ort in Indien mit Menschen aus der Praxis in Kontakt zu kommen, um die Situation im Land noch besser kennenzulernen - und um regionale Besonderheiten, Lebenswirklichkeit und Bedürfnisse der Menschen zu verstehen und entsprechende Kooperationen vor Ort zu schaffen, zum Beispiel zum Spracherwerb, zu Praktika in der Gesundheitsbranche und mit Pflegeschulen." Winfried Schönauer, GFO
Aufbau eines Netzwerkes
Ein zentrales Anliegen der Reise war der Aufbau von Kontakten zu indischen Multiplikatoren wie Sprachschulen, Vermittlungsagenturen und Bildungseinrichtungen. Diese Partnerschaften sollen die Basis für eine nachhaltige Zusammenarbeit bilden. Durch persönliche Gespräche und Besuche vor Ort konnte die Delegation ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen indischer Arbeitnehmer entwickeln. Darüber hinaus bot die Reise die Möglichkeit, die Region Südwestfalen und die beteiligten Institutionen vorzustellen und direkte Netzwerke mit indischen Fachkräften und Multiplikatoren aufzubauen. Ziel der Initiative ist es, langfristige Kooperationen zu fördern, dem Fachkräftemangel in Südwestfalen entgegenzuwirken und gleichzeitig jungen indischen Talenten neue Perspektiven zu eröffnen.
"Für einen ersten Kontakt in ein neues Zielgebiet ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man im Rahmen einer begleiteten Reise hierzu die Möglichkeit bekommt. So können viele Fragen direkt vor Ort mit Unterstützung geklärt werden. Es war eine sehr gute Erfahrung. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit der Menschen, die wir vor Ort kennenlernen durften." Tamara Kanis, Die Sterne im Sauerland
Vorteile der ländlichen Gebiete herausstellen
Haack betonte auch, dass auf beiden Seiten noch Missverständnisse ausgeräumt werden müssten. So würden Inder in der Regel in die Metropolen ziehen wollen, da der ländliche Raum in Indien meist mit fehlender Infrastruktur assoziiert werde. "Hier gilt es, Regionen wie das Sauerland auf das Radar dieser jungen Menschen zu bringen und zu betonen, dass die Infrastruktur und die Jobchancen hier sehr gut sind", so Haack. Umgekehrt müsse man die öffentlichen Debatten über Migration sorgfältig differenzieren. "Der Familiensinn ist sehr stark - wer auswandert, will gut verdienen, um seine Familie zu unterstützen. Indien ist uns näher, als wir manchmal glauben. Im Bundesstaat Meghalaya, den wir besucht haben, sind die Menschen katholischer als in Südwestfalen", so Haack weiter.
Bildunterschrift: Treffen mit Schülern vom Institute of Hotel Management in Shillong
04. November 2024
04.11.24