Wieso Unternehmen auf geschlechtersensible Sprache setzen sollten

Wieso Unternehmen auf geschlechtersensible Sprache setzen sollten

von Benni Bender

Das Thema »Gendern« erhitzt verlässlich die Gemüter. Während Gegner:innen in Binnen-I, Gendersternchen und Namens-Splitting eine Verschandelung der deutschen Sprache erkennen, machen Befürworter:innen zurecht auf die Inklusion von Bevölkerungsminderheiten aufmerksam. Fest steht: Für Unternehmen bietet gendersensible Sprache viele Vorteile – vor allem, wenn diese um Fachkräfte werben oder sich auf Talentfang begeben.

Gendersprache – Stilkiller aus der Mitte der Gesellschaft?

Gleich acht deutsche Nachrichtenanstalten gaben im Sommer bekannt, in ihrer Berichterstattung nicht weiter das generische Maskulinum zu verwenden. Kurz zuvor hatte der Automobilkonzern Audi seine neuen, geschlechtsneutralen Kommunikationsrichtlinien bekannt gegeben. Selbst der Duden, die deutsche Deutungshoheit in Sachen Sprache, gab zu Beginn des Jahres bekannt, über 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen um die jeweils weibliche Form zu ergänzen. Was bei Skeptiker:innen dieser sprachlichen Reformen für Unmut sorgt, gilt bei Unterstützer:innen geschlechtssensibler Sprache schon lange als überfällig. Letzteren sollten Unternehmen zwingend folgen, um nicht aus der Zeit zu fallen. Denn: Wer beispielsweise Prädikate wie „innovativ“, „modern“ und „zukunftsfähig“ für sich beansprucht, jedoch bei der internen wie insbesondere externen Kommunikation Bevölkerungsgruppen ausschließt, macht sich ungewollt angreifbar.

Gesetzliche Rahmenbedingungen beziehen alle Menschen mit ein

Gerade mit Blick auf die Rekrutierung der mitunter als Mangelware gehandelten Fachkräfte kann eine gendersensible Ansprache das Zünglein an der Waage sein. Noch mehr gilt dies für junge Nachwuchstalente. Einer der Umfrage KÖNIGSSTEINER AGENTUR GmbH zufolge wünschen sich mehr als die Hälfte der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren, dass sie von Unternehmen in Jobofferten geschlechtsneutral angesprochen werden.

Hinzukommt, dass der Ausschluss bestimmter Geschlechter in Stellenangeboten juristische Konsequenzen nach sich ziehen kann. So gibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bereits seit 2006 vor, das „Benachteiligungen aus Gründen […] des Geschlechts verhinder[t]“ werden müssen. Hintergrund ist, dass jeder Mensch beim Zugang zum Arbeitsmarkt ein elementares Recht auf Chancengleichheit besitzt. Dies betrifft zum einen all diejenigen, die sich einem der beiden biologischen Geschlechter zugehörig fühlen. Seit 2019 werden hierbei auf Anforderung des Bundesverfassungsgerichts jedoch auch intersexuelle Personen berücksichtigt. Intersexuelle Menschen verfügen über Körperattribute, die biologisch weder ganz als männlich bzw. weiblich eingestuft werden können. Dies kann beispielsweise aufgrund von angeborenen Variationen eindeutiger Geschlechtsmerkmale der Fall sein, etwa wenn eine Person typisch männliche Körpermerkmale aufweicht, gleichzeitig aber vornehmlich typisch weibliche Hormone produziert.

In deutschen Stellenangeboten hat sich die Angabe „m/w/d“ durchgesetzt, wobei hierbei nicht nur intersexuelle, sondern auch non-binäre Menschen mit einbezogen werden, die sich keinem Geschlecht klar zugehörig führen.

Lassen Sie niemanden außen vor

Die Wege zu gendergerechter Rede – und da zeigt sich wieder einmal die wunderbare Mannigfaltigkeit der deutschen Sprache – sind vielfältig. „Aber ich verhunze doch nicht unser Stellenangebot, nur um alle anzusprechen“, werden sich die ein oder anderen nach wie vor denken. Das ist dann eben leichtfertig vergebenes Potential, weil die möglicherweise geeignetste Person für eine vakante Stelle im Unternehmen nicht angesprochen wird.

Fakt ist: Viele Menschen, die nicht einmal eindeutig männlich oder weiblich sein müssen, sondern sich selbst als trans (zwischengeschlechtlich), divers, intersexuell oder non-binär einstufen, fühlen sich unter Umständen nicht adressiert. Wenn sie in Texten nur die männliche Form lesen, haben sie oft auch nichts anderes als einen Mann vor Augen, der die offene Stelle bekleiden soll. Da hilft es im Übrigen auch nicht weiter zu versichern, dass man doch eigentlich alle „mitgemeint“ habe. Wenn Sie jetzt immer noch denken, dass Sie diesen „Genderwahnsinn“ nicht brauchen, dann kann ich damit gut leben. Vermutlich sogar besser als Sie. Und glauben Sie mir: Als Kommunikationsberater ist mir ziemlich sicher mehr als Ihnen an gut leserlichen Texten gelegen.

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Vielzahl an Möglichkeiten: So spricht Ihr Stellenangebot jede:n an

Stilfragen in Stellenangeboten sind natürlich immer auch vom persönlichen Geschmacksempfinden geprägt. Verbindliche Vorgaben gibt es grundsätzlich keine. Umso schöner, dass es mit Blick auf gendergerechte Anrede zahlreiche Varianten gibt, wie Sie alle Personen sprachlich inkludieren können.

Das Binnen-I

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Das „I“ in der Mitte, man merkt es kaum. Einzig, wenn Sie Ihrer Ansprache einen direkten Artikel wie „der“ oder „die“ voranstellen wollen, ist das Binnen-I sicher nicht Mittel erster Wahl.

Der Gender-Gap / das Gendersternchen

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Hiermit fühlen sich auch nicht-binäre Menschen angesprochen. Natürlich kommt es hier zu einem stilistischen Einschnitt – nichtsdestotrotz ist dies sicherlich die auch für die Zukunft gängigste Variante, die im Übrigen jetzt schon von vielen Behörden verwendet wird.

Neutrale Bezeichnungen

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Ebenso charmant ist die Suche nach Kaufleuten, Textprofis, IT-Assen oder Menschen mit ausgewiesener Social-Media-Expertise. Sie merken selbst: Die deutsche Sprache ermöglicht in puncto Genderneutralität eine Menge Ausdrucksmöglichkeiten. Und die Sache mit der Doppelnennung? Unternehmen sollten darauf verzichten, nach „Projektmanagern und Projektmanagerinnen“ zu suchen. Hintergrund ist, dass sich diese Form der Ansprache wiederum nur auf die beiden biologischen Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ bezieht.

Fazit: Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, das Sie nicht unterschätzen sollten

Sprache formt nicht nur unsere Wahrnehmung, sie ist auch ständig im Wandel. Oder haben Sie schon mal ein Stellenangebot gesehen, in der Unternehmen gebieten, dass infrage kommende Zöglinge die Anstalt freudetrunken in ein güldnes Zeitalter überführen mögen? Dachte ich mir.

Wenn wir nun von geschlechtssensibler Sprache reden, dann bemisst sich daran nicht weniger als ein aktueller Zeitgeist, den Unternehmen nun entweder aufnehmen oder eben ignorieren können. In jedem Fall drückt Gendersprache Wertschätzung aus, wenn sie alle anspricht. Wenn Organisationen nun verbissen auf geschlechtsneutralen Sprech verzichten wollen, erteilen sie den angesprochenen Minderheitenangelegenheiten gleichzeitig eine Absage, bei denen Bewerber:innen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen auf organisationale Ignoranz schließen.

Vereinfacht gesagt: Gendergerechte Sprache hat – vor allem in der heutigen Zeit – Signalwirkung. Unternehmen sollten nur dann darauf verzichten, wenn sie sprachliche Inklusion wirklich und aus vollster Überzeugung ablehnen. Wenn dem nicht so ist, dann sollte es in der Gegenwart eine Selbstverständlichkeit sein, geschlechtlicher Diversität ihren Platz einzuräumen. Und zwar nicht nur ihren gesellschaftlichen Raum, sondern auch den auf dem Papier – wobei insbesondere die geschlechtssensible Ansprache in Stellenangeboten ein Schritt in die richtige Richtung ist.




22. Dezember 2021 22.12.21
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