Karriere Südwestfalen

Nachgefragt bei: Sarah Wolff, Bewerbungsexpertin

Sarah Wolff ist unsere Expertin in Sachen Bewerbung! Die erfahrene Personalerin gibt Schulungen, Seminare und Coachings für Führungskräfte, Azubis und Jobsuchende und ist eure Ansprechpartnerin in unserem Bewerberservice. Wir haben mit ihr über die Entwicklungen des Arbeitsmarktes und die daraus resultierenden Veränderungen im Bewerbungsprozess sowie ihre Erfahrungen aus dem Personalerinnen-Alltag gesprochen.

Mythos oder Realität: Kannst du einen Wandel auf dem Arbeitsmarkt beobachten und wenn ja, in welcher Form?

Sarah Wolff: Ein Wandel des Arbeitsmarktes war tatsächlich sehr stark zu beobachten. Seit einigen Jahren können wir nun tatsächlich von einem Bewerbermarkt statt von einem Arbeitgebermarkt sprechen. Hier in Südwestfalen hatten wir bisher noch Glück, da wir durch gut ausgebildete Azubis und eine hohe Ortsverbundenheit Fachkräfte binden konnten, aber mittlerweile macht sich dieser Wandel auch hier bemerkbar. Ich würde weniger von einem Wandel, sondern von einer neuen Form des Arbeitsmarktes sprechen.

Was bedeutet diese Entwicklung für Südwestfalen als Industrieregion?

Sarah Wolff:  Es gibt ganz viele Betriebe, die verzweifelt Auszubildende suchen und keine mehr finden. Das liegt nicht nur am demografischen Wandel, sondern sicherlich auch daran, dass sehr viele Jugendliche Abitur statt mittlerer Reife machen und von Schulen und Hochschulen in Richtung Studium gefördert werden. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber dadurch fehlen zum Beispiel den Handwerksbetrieben die Auszubildenden. Das macht sich dann auch später bemerkbar, wenn ein Unternehmen nicht alle Ausbildungsplätze besetzen kann, dann fehlen dort natürlich die Fachkräfte.

Können sich die Bewerbenden in dieser neuen Form des Arbeitsmarktes auch in ihren Forderungen mehr erlauben?

Sarah Wolff:  Glasklar, die Gehaltsspirale dreht sich nach oben, da können Bewerbende kräftig verhandeln. Und auch bei den Benefits müssen sich Arbeitgeber mittlerweile mehr einfallen lassen und sich von der Masse abheben. Wenn man Stellenanzeigen vergleicht, alle bieten flexible Arbeitszeiten, alle haben ein tolles Team, alle haben Mitarbeiterparkplätze. Unternehmen müssen ihre Lücke finden, wenn sie wirklich bei den Bewerbenden punkten möchten.

Sind bei Bewerbenden auch neue Arbeitszeitmodelle, z. B. weg von einer 40 Stunden Woche, gefragt?

Sarah Wolff:  Grundsätzlich ja, das fällt hier in der Industrieregion jedoch noch nicht ganz so stark ins Gewicht. Es gibt sicherlich ganz viele Mütter, die man mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und entgegenkommende Arbeitgeber wieder in den Arbeitsmarkt locken kann, weil die Betreuungsplätze hier leider immer noch nicht so gegeben sind. Ansonsten ist hier in der Region der Vollzeitjob immer noch sehr gängig.

Wie sieht das mit Arbeitsmodellen wie Remote-Work aus?

Sarah Wolff:  Remote arbeiten wird auch hier relevanter. Dennoch hört man immer wieder, „nach so langer Zeit mit Corona im Homeoffice bin ich froh, wenn ich wieder Menschen sehe“. Es ist eine Mischform. Ich glaube, nur remote zu arbeiten, das ist für den geselligen Sauerländer auf Dauer nichts 😉

Welche No-Gos gelten weiterhin im Bewerbungsprozess?

Sarah Wolff: No-Gos sind – bei aller Not – immer noch schlecht vorbereitete Bewerbungsgespräche, wenn jemand Gleichgültigkeit oder Arroganz an den Tag legt und 0,0 informiert ist. Das kommt nach wie vor nicht gut an, genauso wie schlecht aufgearbeitete Unterlagen, die komplett lieblos wirken. Dann hat man nicht die allerbesten Chancen. Irgendwann ist eine Schmerzgrenze erreicht.

Auch die Bewerbungen an sich haben sich gewandelt, sie laufen zum Beispiel immer digitaler ab. Zuerst wurden die Unterlagen per Mail statt per Post geschickt, jetzt laufen auch viele Bewerbungsgespräche online ab. Welche Erfahrungen hast du auf Personalerinnen-Seite mit Video-Vorstellungsgesprächen gemacht?

Sarah Wolff:  Während Corona waren Online-Vorstellungsgespräche unabdingbar, es ging gar nicht ohne. Mittlerweile bieten wir ein Erstgespräch oft online an, gerade wenn der oder die Bewerbende weiter weg wohnt und eine längere Anreise hat. Wir richten uns da nach den Bedürfnissen der Kandidatinnen und Kandidaten. Arbeitgeber sind flexibler geworden. Wenn jemand zum Beispiel nur morgens vor seinem aktuellen Job telefonieren kann, dann führen wir ein kurzes Gespräch und schauen, ob es prinzipiell passen könnte oder nicht – von beiden Seiten. Das geht schnell und unkompliziert, das ist schon toll. Trotzdem: Spätestens das Zweitgespräch wird persönlich stattfinden. Wir haben noch nie jemanden eingestellt, den wir nur online kennengelernt haben.

Welche Tipps hast du an Bewerbende für ein Online-Vorstellungsgespräch?

Sarah Wolff:  Man sollte die Wohnzimmeratmosphäre auskehren. Im Hoodie, mit einem Pott Kaffee auf dem Sofa, das kommt nicht gut an. So ein Video-Interview ist schließlich ein Geschäftstermin und kein privater mit Freunden. Ob der Hintergrund nun eine weiße Wand sein sollte oder nicht, das sei mal dahingestellt, aber ein Müh Ernsthaftigkeit sollte spürbar sein. Im Idealfall testen die Bewerbenden natürlich auch die technischen Voraussetzungen. Aber der Teufel steckt im Detail und so wie man sich mit dem Auto verspäten kann, weil man im Stau steht oder eine Panne hat, so kann auch die Technik ausfallen. Und da kommen wir zurück zum Bewerbermarkt, Arbeitgeber können nicht mehr aus jedem kleinen Kinkerlitzchen einen Strick drehen, sondern von ihnen ist viel mehr Flexibilität gefragt.

Kaum jemand arbeitet noch von Ausbildung bis zur Rente in ein- und demselben Job. Dadurch können Lücken im Lebenslauf entstehen, etwa durch einen Auslandsaufenthalt oder einer längeren Jobsuche. Sind solche Phasen noch problematisch oder gehören sie mittlerweile schon dazu? Wie sollte man als Bewerbender mit ihnen umgehen?

Sarah Wolff:  Lücken gehören fast schon dazu, problematisch sind sie meist nicht. Man muss nur mit offenen Karten spielen. Wenn man versucht, etwas zu verheimlichen oder den Lebenslauf zu schönen, das fällt auf, wirft weitere Fragen auf und schürt Misstrauen. Es ist heute gängig, dass es auch mal einen Leerlauf im beruflichen Werdegang gibt, in dem man vielleicht mal im Ausland war oder sich von Strapazen erholt hat. Auch eine berufliche Findungsphase ist völlig in Ordnung. Wichtig ist es, diese „Lücken“ offen und ehrlich anzusprechen und nichts unter den Teppich zu kehren, das fällt sowieso auf.

Gibt es ein „zu lang“?

Sarah Wolff:  Das kommt wirklich drauf an. Zwei Jahre berufliche Findungsphase sind schon lang, aber zwei Jahre Weltreise mit Jobs in verschiedenen Ländern sind wieder völlig anders zu bewerten, genauso wie zum Beispiel eine Pflegezeit für eine nahestehende Person.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Sarah!

Wenn ihr mehr von Sarahs Expertise wollt und eure Bewerbung von ihr erstellen oder bearbeiten lassen möchtet, dann findet ihr alle Infos dazu in unserem Bewerberservice. Sarah bietet auch ein Bewerbercoaching mit Gesprächssimulation an, es lohnt sich!


28. März 2023 28.03.23
Hauptsitz
Hundemstraße 2
57368 Lennestadt
  • 50 Mitarbeitende
  • 2012 gegründet
Neue Blogbeiträge bequem per E-Mail lesen:
×